Wie ein Kochbuch entsteht III: Mein persönliches Making of Seelenfutter vegetarisch

Ich freue mich sehr über das große Interesse an meiner Serie über die Entstehung von  Seelenfutter vegetarisch*! Heute wechseln wir mal die Form – ich kann mich ja schlecht selbst interviewen. Dafür habe ich Anfang des Jahres während der Arbeit am Buch immer wieder zwischendurch Notizen gemacht und kann euch daher einen Blick in meine persönliche Kochbuchwerkstatt eröffnen. Los geht’s!

Burger-Versuchsreihen

5. Dezember 2013

Großartig – unser Buch Seelenfutter. Rezepte, die glücklich machen* verkauft sich gut. Dieser Tag beginnt bei mir (wie alle anderen in letzter Zeit) damit, dass ich den Shop eines großen Online-Buchhändlers anklicke und nachsehe, ob es neue Rezensionen gibt. Zum Glück denken andere schon weiter: Am Nachmittag ruft mich meine Ko-Autorin Susanne Bodensteiner an und erzählt, sie hätte bei einem Termin im Verlag gleich mal den Vorschlag gemacht, mit einem vegetarischen Seelenfutter-Band nachzulegen. Wow – was für eine tolle Idee! Jetzt heißt es: Daumen drücken.

18. Dezember 2013

Eine E-Mail von Redakteurin Alessandra Redies mit dem Betreff „Hurra, hurra!“ flattert in mein Postfach: Seelenfutter vegetarisch wurde in der Programmrunde des Verlags verabschiedet. Das Buch kommt! Uns allen ist klar, dass der Zeitplan ganz schön knapp ist. Ende März, spätestens Anfang April muss das Manuskript abgegeben werden, damit genügend Zeit für Lektorat, Satz, Probekochen und Fotos bleibt, vom Druck ganz zu schweigen. „Wichtig wäre, dass Ihr beide Euch bald in Sachen Konzept, Rezepte und Aufteilung abstimmt“, schreibt Alessandra noch.

Susanne und ich knöpfen uns also das Konzept von Seelenfutter vor. Sicher ist, dass die Textseiten mit den „Seelenfutter-Klassikern“ bleiben sollten, genau wie die „perfekten Paare“, also Zutatenkombinationen, die so gut sind, dass sie einfach in die Seelentröster-Trickkiste gehören. Aber dann stellt sich die große Frage: Was machen wir mit der Kapiteleinteilung? Im ersten Buch gab es ja neben „Suppen und Eintöpfe“, „Kartoffeln und Gemüse“ auch „Fleisch und Fisch“. Sollen wir in dem vegetarischen Buch eine ganz andere Einteilung wählen?

Hmm. Eigentlich fanden wir die Struktur gut. Ich schreibe probeweise statt des Kapitels „Fleisch und Fisch“ einfach „Tofu und Seitan“ ins Konzept. Und fange gleich an zu zweifeln: Diese Lebensmittel haben ja nicht den besten Ruf, gelten den einen als geschmacklos, den anderen als überflüssige Ersatzprodukte, die Fleisch imitieren, wo keines ist. Aber ich denke an das wirklich köstliche, wärmende, herzhafte Seitangulasch, das ich neulich gekocht habe: Das hatte echte Seelenfutter-Qualitäten.

Vielleicht ist es an der Zeit, selbstbewusst zu sagen: „Wir mögen Tofu und Seitan!“, um die beiden aus der Schmuddelecke hervorzuholen. Ich bin ja schon lange der Meinung, dass es nicht grundsätzlich zu verteufeln ist, wenn vegetarische Gerichte durch Fleischgerichte inspiriert sind. Hey, auch die meisten Veggie-Verfechter sind mit Fleischgerichten aufgewachsen und haben sich nicht etwa davon abgewendet, weil es ihnen nicht geschmeckt hätte! Und Seelenfutter-Küche, das ist zu einem Teil auch Nostalgieküche, die Erinnerung an das, was früher schon gutgetan hat. Gulasch gehört genauso dazu wie Burger. Außerdem mag ich Tofu wirklich, und es kann mehr als Fleischersatz.

Kurz vor Weihnachten 2013

Die Kapiteleinteilung steht. Ich notiere „Seitan-Gulasch“ in die Liste mit meinen Rezeptvorschlägen.

6. Januar 2014

Die Weihnachtszeit ist vorbei; der Alltag geht wieder los. In München ist der 6. Januar noch Feiertag, aber ich sitze am Schreibtisch und bringe meine wild verstreut notierten Rezeptideen in eine ordentliche Form. Dabei geht mir auf: Wir haben uns hier ein Beinchen gestellt. Etliche der absoluten fleischlosen Seelenfutter-Klassiker haben wir nämlich in Buch 1 schon verbraten – in dem ungefähr zwei Drittel der Rezepte vegetarisch sind (und ja, Tofu kommt auch schon vor!).

Hätten wir vorher gewusst, dass noch ein vegetarisches Buch kommt, hätten wir uns so einiges aufgespart: die Parmigiana di Melanzane, das Ofengemüse mit Mango-Dip, das Nudeln-mit-Tomaten-Traumpaar, den Pilzrisotto mit Heidelbeeren – und vor allem natürlich die Kässpätzle! Seufzend blicke ich auf das Cover des bereits erschienenen Buchs.

Cover Seelenfutter. Rezepte, die glücklich machen

Aber wiederholen wollen wir uns natürlich nicht. Schließlich hoffen wir ein bisschen, dass sich Fans von Seelenfutter auch das zweite Buch kaufen. Und ehrlich: Das Seelenfutter-Universum ist groß. Wie gut, dass ich im Alltag ohnehin fast immer vegetarisch koche! Ich gehe mein Küchentagebuch durch, notiere mir die gelungensten Kreationen der letzten Zeit und ergänze Idee um Idee.

7. Januar 2014

Zwischen München-Haidhausen, München-Schwabing und Hamburg sausen im Dreieck Rezeptlisten herum. Jetzt geht es ans Sortieren, Abwägen, Entscheiden. Mein Seitan-Gulasch entfällt, denn Susanne hat Erdäpfelgulasch vorgeschlagen, und das muss unbedingt rein, das sehe ich ein. Wie immer gibt es bei jeder Idee, die es nicht ins Buch schafft, einen winzigen Stich … aber alles passt nun mal nicht auf 192 Seiten.

Mitte Januar speichere ich die nun aber absolut endgültige, super-finale, unumstößlich in Stein gemeißelte Rezeptliste ab. Ab jetzt wird gekocht. 10 Wochen bis zur Manuskriptabgabe und runde 45 Rezepte, das heißt: Pro Woche müssen 4,5 Rezepte fertig werden. Tagsüber arbeite ich an anderen Projekten, denn die waren ja vor der Buchentscheidung da. Die Abende plane ich zum Kochen ein. Hoffentlich klappt das meiste beim ersten Anlauf!

12. Februar 2014

Ich weile für diverse Termine in München. Susanne und ich sitzen bei Kaffee und Faschingskrapfen zusammen und diskutieren doch noch einmal die Rezeptlisten. Haben wir nicht zu oft Paprikaschoten verwendet? Ist nicht alles zu winterlich? Gibt es genügend schnelle Pastagerichte? Und ach, du hast dir bei diesem Rezept das und das vorgestellt – das hat jetzt ziemliche Ähnlichkeit mit dem, was ich hier und da vorhabe. Welches ändern wir? (Kurz darauf spricht Alessandra ein Redakteurinnen-Machtwort und verfügt, dass ab jetzt gar nix mehr geändert wird. Basta.)

Ende Februar 2014

Die Hälfte meiner Rezepte ist ausprobiert und von Chef-Testesser M. und diversen nichtsahnend zum kulinarischen Arbeitseinsatz kommandierten Gästen für gut befunden. Allzu viele Anläufe habe ich bisher für die meisten nicht gebraucht – zum Glück.

Trotzdem habe ich zwischendurch mehr als einen Frustmoment, weil mich immer wieder das Gefühl überfällt, nichts Originelles mehr „erfinden“ zu können. Es ist wie verhext: Immer wieder kommt es vor, dass ich eine meiner Rezeptideen plötzlich so oder so ähnlich in einem Blog, einer Zeitschrift oder einem Buch finde. Klar, etliches sind Klassiker, manches liegt offenbar einfach in der Luft – und manchmal gibt es vielleicht eine gemeinsame Inspirationsquelle.

Im Moment häuft sich das: Ich koche eine Maiscremesuppe mit Popcorn als Topping – zack: Barbara stellt im Blog Schlecktüre eine Maissuppe mit Popcorn vor. Gerade, als ich die Misosuppe mit Sobanudeln teste, lese ich bei der Kochpoetin über – Misosuppe mit Sobanudeln. Und so weiter.

(Übrigens, damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich äußere hier keine mittelmäßig subtilen Unterstellungen! Diese Ideen entstanden jeweils vollkommen unabhängig voneinander, so viel ist sicher. Als die Rezepte in den Blogs auftauchten, hatte ich die Ideen ja längst in den Rezeptlisten für das Buch fixiert. Und die wiederum waren nicht öffentlich zugänglich. Über die Erfahrung, dass es schwer ist,  wirkliche Rezeptneuheiten zu erfinden, hat Denise vom Blog Foodlovin‘ neulich etwas ganz Ähnliches geschrieben.)

Einen echten Dämpfer versetzt mir allerdings die Sache mit dem Burger: In unserer Rezeptliste ist ein Seitanburger mit Pflaumenketchup vorgesehen, von mir in einer spontanen Eingebung im Januar so hingeschrieben. Nun setze ich mich hin und überlege an dem Seitanburger herum. Wie sorge ich dafür, dass die Burgermasse zusammenhält? Ich beschließe, Hülsenfrüchte als „Kleber“ zu verwenden. Die Wahl fällt auf Kidneybohnen – allein schon wegen der Farbe. Samstags kaufe ich Kidneybohnen ein; montags entdecke ich im Blog Der kleine Horrorgarten Seitanburger mit Kidneybohnen. Und Pflaumenketchup wird auch noch dazu serviert! Okay, bei dem Rezept disponiere ich dann doch um.

Burger-Test: streng wissenschaftliche Versuchsanordnung.

Burger-Test: streng wissenschaftliche Versuchsanordnung.

Anfang bis Mitte März 2014

Burgertest 1 mit Linsen: zu weich, zu viel Linsengeschmack

Burgertest 2 mit geraspelten Möhren und Semmelbröseln: zerfällt

Burgertest 3: drei Varianten im Vergleich. Die mit Möhren und Ei als Bindemittel gewinnt bei den Testessern mit Abstand. Und die mit Kidneybohnen werde ich als Variante angeben. So.

4. April 2014

Etappenziel geschafft! Ich schicke das Rezeptmanuskript an den Verlag. M. fragt vorsichtig: „Jetzt gibt es aber erst mal eine Weile was ohne Tofu und Seitan, oder?“

Pff.

Mitte April 2014

Die Rezepte werden von Lektor Martin Knipping auf Herz und Nieren geprüft. Immer wenn ich seine Mails mit den detaillierten und durchdachten Rückfragen bekomme („Reicht hier die Garzeit wirklich?“ „Muss nicht mehr Flüssigkeit dazu?“), beglückwünsche ich mich innerlich dazu, dass ich eine Sache diesmal anders gemacht habe als beim letzten Buch. Da hatte ich nämlich meine Notizen beim Kochen auf fliegende Zettel gemacht, die weggeworfen wurden, sobald ich das Rezept abgetippt hatte. Was leider dazu führte, dass ich im Nachhinein nicht mehr genau nachvollziehen konnte, ob bestimmte Dinge einfach Übertragungsfehler waren. Bei Seelenfutter vegetarisch habe ich ein Blanko-Buch benutzt, in das ich beim Kochen hineingekritzelt habe. Hier stehen nun sämtliche Rohfassungen der Rezepte beisammen, und ich kann schnell nachschlagen, wenn Martin eine Frage hat.

Küchentagebuch

Das Küchentagebuch: Burger Version 1.

30. Juni 2014

Ich setze meine Unterschrift auf die erste Seite des 3. Umbruchs, also meines Ausdrucks des gesetzten und layouteten Buchs. Damit habe ich die „Imprimatur“, die Druckfreigabe, erteilt – ein Moment, der doch immer wieder ein bisschen Herzklopfen verursacht. Jetzt ist nichts mehr zu ändern; in Kürze laufen die Druckmaschinen an. Aber ich beruhige mich: Nicht nur ich, sondern auch Alessandra, Susanne und Martin haben in den vorangegangenen Umbrüchen alles, aber auch alles jeweils mehrfach gelesen und durchgesehen, und die Korrektorin hat ja auch noch mal kontrolliert.

Gleichzeitig freue ich mich jetzt auf das fertige Buch, denn in diesem Umbruch habe ich zum ersten Mal die Fotos gesehen – und sie sind toll geworden, finde ich! Das Drumherum macht eine richtig schön heimelige Atmosphäre, und das Essen ist toll angerichtet, ohne dabei künstlich drapiert zu wirken. Eigentlich … bekomme ich gleich wieder Appetit.

12. September 2014

Heute halte ich Seelenfutter vegetarisch zum ersten Mal in der Hand – in Graz. Schon am 1. September ist es erschienen, aber das erste Belegexemplar hat mich vor meiner Abreise in den Urlaub knapp verfehlt. Jetzt stehe ich in einer Buchhandlung und schlage das Buch auf. Aus Angst, womöglich gleich einen Fehler zu finden, blättere ich es nur per Daumenkino durch. Tolle Fotos, so viel sehe ich. Dann lege ich das Buch auf den Stapel zurück (und bleibe noch eine Weile daneben stehen, um zu sehen, wer es sich anschaut).

Cover des Buches Seelenfutter vegetarisch

Heute …

… beginnen meine Tage wieder häufig damit, Rezensionen beim großen Online-Buchhändler und anderswo im Netz zu lesen. Und natürlich diese Serie fürs Blog vorzubereiten!

Das sind die Folgen der Serie “Wie ein Kochbuch entsteht”:

4.11.14 Wie einKochbuch entsteht I: Die Redakteurin

11.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht II: Autorin Susanne Bodensteiner

14.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht III: Mein persönliches Making of

18.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht IV: Der Lektor und Setzer

25.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht V: Das Fototeam

2.12.14 Wie ein Kochbuch entsteht VI: Die Herstellerin

 

6 Gedanken zu “Wie ein Kochbuch entsteht III: Mein persönliches Making of Seelenfutter vegetarisch

  1. Eva

    Wow, ich hätte es nie für möglich gehalten, wie zeitintensiv die „Herstellung“ eines Kochbuchs ist. Danke für den Einblick!
    Und zum Burger. Ich habe mal ein Patty aus Linsen gemacht, dass nicht besonders intensiv nach Linsen schmeckte und eine super Konsistenz hatte. Aber nun ist es ja eh alles gelaufen, ich werde gleich mal in der Bücherhalle Ausschau halten. Schönes Wochenende!

  2. Barbara

    Hihi – ach ja, stimmt ja, unsere Korrespondenz in Sachen Maissuppe mit Popcorn und der Philosophiererei darüber, wie ein großer Gedanke gleichzeitig in zwei Hirnen Gestalt annehmen kann… ;) Aber sie ist im Buch, deine Suppe, gelle? Noch ein Argument dafür, es mir endlich zuzulegen. Nicht, dass deine Appetit machende Serie mir überhaupt die Chance ließe, es NICHT zu kaufen…. :)

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