Fernweh auf der Zunge (und Rezept für Spinat-Dhal)

Fernweh? Bekämpfe ich durch Kochen. Und Kochen löst bei mir gelegentlich Fernweh aus. Klingt paradox? Vielleicht muss ich das erklären; schließlich will Sabine Olschner in ihrem Reiseblog mit dem schönen Namen Ferngeweht wissen, wie das so ist bei uns mit dem Fernweh.

Blogparade

Also: Ich bin keine besonders große Reisende. Irgendwie habe ich durchaus von Kindheit an von fernen Ländern geträumt (vor allem von Afghanistan), aber sehr weite Reisen habe ich dann auch später wenig gemacht. Ich dachte lange, das läge am fehlenden Geld oder an der Zeit, die in den Semesterferien für Praktika oder Hausarbeitenschreiben draufging. Aber irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich das mit dem Reisen wohl hingekriegt hätte, wenn es mir wirklich sehr wichtig gewesen wäre.

Richtiges Fernweh gehört bei mir daher zu den selteneren Tieren im Gefühlszoo. Häufiger als dieses Weg-Weh begegnet mir ein Wieder-hin-Weh, denn ich bin, was Reisen angeht, eine treue Seele. Mich zieht es immer wieder in bestimmte Länder oder Gebiete, die mich bei der ersten Begegnung fasziniert haben. Ich möchte dann wieder hin, tiefer eintauchen, sehen und be-greifen, um zu verstehen, wie die Kultur funktioniert, wie die Menschen ticken – natürlich auch, was sie essen und wie sie kochen.

Genau deshalb kenne ich die Fernwehmut. Sie schleicht sich auf leisen Pfoten an, wenn ich bestimmte Gerüche in die Nase oder Aromen auf die Zunge bekomme, die mich an Syrien erinnern: der Duft von Wasserpfeifentabak mit Apfelaroma, der immer aus dem Schischa-Café bei mir hier um die Ecke zieht und mich sofort ins Café Naufara in Damaskus versetzt. Der cremige Geschmack von Hummus oder der frische von Tabouleh, wenn der Salat (wie es sich gehört) mehr Petersilie als Bulgur enthält, denn beides habe ich während meiner Syrien-Aufenthalte fast täglich gegessen. Und vor allem der intensive Geruch von Kaffee mit Kardamom, wie er den Teil des Souks von Damaskus durchzog, in dem die Kaffeehändler ihre Geschäfte hatten.

Hatten.

1999 verbrachte ich vier Wochen für einen Sprachkurs in Damaskus (nein, nein, fragt mich nix mehr – Arabisch gehört leider zu den Sprachen, die man sofort und absolut gründlich vergisst, sobald man sich nicht mehr damit beschäftigt!). 2006 reiste ich noch mal für zwei Wochen mit M. dorthin, um ihm dieses überwältigend schöne und vielfältige Land zu zeigen, in das ich mich sieben Jahre zuvor verliebt hatte.

Innenhof der Omayyaden-Moschee in Damaskus

Ein lebensfroher Ort: Innenhof der Omayyaden-Moschee in Damaskus.

Allerdings hatte ich dort auch zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, wie es ist, in einer Diktatur von bestimmten Dingen sicherheitshalber nur hinter vorgehaltener Hand zu sprechen, weil der Mensch am nächsten Tisch im Restaurant ein Geheimdienstmitarbeiter sein könnte. Als daher der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach, hatte ich zuerst Verständnis dafür, dass viele Menschen Assad loswerden wollten. Und als es dann weiterging und alles immer schlimmer wurde, war ich einfach nur entsetzt.

Wasserrad in Hama

Hama: 2006 noch ein friedlicher Ort, wo Jugendliche von den jahrhundertealten, „singenden“ Wasserrädern sprangen.

Ich scheine eine Neigung dazu zu haben, meine Fernwehträume an Länder zu hängen, in denen der Krieg dann alles kaputt macht. Siehe Afghanistan.

Tür in Damaskus

Die Tür zu Syrien ist für uns wohl erst einmal zugefallen.

Da ich dem Fernweh in Richtung Syrien wohl auf absehbare Zeit nicht mehr nachgeben kann (was natürlich im Vergleich ein absolut zu vernachlässigender Aspekt dieser großen Katastrophe ist), empfinde ich halt Fernwehmut. Gegen die koche ich manchmal an: mit Hummus und Tabouleh und Muhammara und vielen Mezze-Gerichten, den tollen Kleinigkeiten, die den großen Reichtum der syrisch-libanesischen Küche ausmachen.

Restaurant_Damaskus

Stundenlang Mezze tafeln: Restaurant in Damaskus.

Und dann gibt es noch den Fall, dass erst das Kochen Fernweh auslöst. So landete nämlich Indien in meinem kleinen Repertoire von Will-ich-wieder-hin-Regionen. Ich hatte so häufig indisch gekocht (oder jedenfalls das, was ich und die verfügbaren Kochbücher dafür hielten), und dabei war mein Interesse an diesem Land so weit gewachsen, dass ich irgendwann hin wollte. Über den Jahreswechsel 2011/2012 flogen M. und ich zum ersten Mal nach Indien. Wir pickten uns den Süden raus: die Bundesstaaten Karnataka, Kerala, Tamil Nadu. Weil uns dort erst klar wurde, was für einen winzigen Ausschnitt des riesigen Landes wir gesehen hatten, ging es ein Jahr später nach Westbengalen, ganz im Nordosten von Indien. Um tiefer einzutauchen und – vielleicht – ein bisschen mehr zu verstehen.

Menschenmenge in Indien

So viele Menschen …

Detail Götterfiguren am Tempel in Madurai

… so viele Götter: Das macht das mit dem Verstehen nicht gerade leicht.

Von beiden Reisen habe ich mir Kochbücher mitgebracht. Und so kann ich das Wieder-hin-Weh erst einmal kochend bekämpfen, bis es womöglich irgendwann zu stark wird und ich endlich Mumbai oder Rajasthan (und die jeweiligen Küchen) kennenlernen muss. Lange dauert das nicht mehr.

Ein Gericht mit hohem „Ja, genau so war’s!“-Faktor ist übrigens Dhal. Na ja, das ist ja eigentlich nicht ein Gericht, sondern der Oberbegriff für die vielen, vielen Hülsenfruchtgerichte, die in ganz Indien zu den Grundnahrungsmitteln gehören. Reis oder Brot und Dhal sind die tägliche, oft einzige Mahlzeit für vielen Millionen Menschen. Reis und Dhal haben wir auch als Reisende fast täglich gegessen, meist als eins von mehreren Bestandteilen eines Thalis. Und obwohl die Bandbreite der einzelnen Dhal-Rezepte von einfach bis raffiniert, von würzig bis mild reicht, sodass man von „einem Geschmack“ nun wirklich nicht sprechen kann – trotzdem verkörpern Dhals für mich den Geschmack von Indien.

Auf dem Maidan in Kolkata.

Auf dem Maidan in Kolkata.

Ich stelle euch also hier ein echtes Fernwehgericht vor: ein Dhal mit Spinat. Es stammt aus einem Kochbuch von Gini Sen, Harir Khobor. What’s Cooking in Bengal, das ich in Kolkata (Kalkutta) gekauft habe. Das Rezept ist unglaublich schlicht – so schlicht, dass man es kaum glauben kann: Selbst an Gewürzen werden nur Kurkuma und Salz verwendet. Und trotzdem schmeckt es genau so, wie es ist, großartig.

Daal aus roten Linsen mit Spinat

Ich habe dazu noch eine Raita mit Tomaten und Senfsamen gemacht, für die ich zwar kein Rezept hatte, von der ich aber schwören könnte, dass ich etwas Ähnliches in Indien schon gegessen habe.

Tomaten-Raita mit Senfkörnern

Die Kombination von beidem mit Reis ist für mich – perfekte Fernwehküche.

Spinat-Dhal mit Tomaten-Raita
Quelle: 
Zubereitungszeit: 
Garzeit: 
Zeitbedarf gesamt: 
Portionen: 2–4
 
Zutaten
Für die Tomaten-Raita:
  • 3 mittelgroße aromatische Tomaten
  • 300 g Naturjoghurt (Rahmjoghurt bzw. türkischer oder griechischer Joghurt mit 10 % Fettanteil)
  • 1 EL braune Senfsamen (aus dem Asienladen)
  • Salz
Für das Spinat-Dhal (Paalang Shaak Diye Mushur Daal):
  • 2 große Zwiebeln (ca. 200 g)
  • 2 rote Chilischoten (Gini Sen nimmt grüne, aber die hält man im fertigen Dhal allzu leicht für Spinat - mit brennenden Folgen. Für euch ausprobiert.)
  • 250 g frischer Spinat
  • 300 g rote Linsen
  • 500 ml Wasser
  • 1 TL gemahlene Kurkuma
  • Salz
  • 1 EL Ghee (indisches Butterschmalz, Bio- oder Asienladen, nach Belieben)
Anleitung
  1. Für die Tomaten-Raita die Tomaten waschen, halbieren, die Stielansätze entfernen und das Fruchtfleisch ca. 1,5 cm groß würfeln. Den Joghurt kurz durchrühren, damit er cremiger wird, dann die Tomatenwürfel unterheben. Die Senfsamen in einer Pfanne ohne Fett anrösten, bis sie anfangen zu springen. Die Pfanne vom Herd nehmen und die Senfsamen unter den Joghurt rühren (nach Belieben ein paar für die Dekoration zurückbehalten). Die Raita mit Salz abschmecken und bis zum Servieren kalt stellen.
  2. Für das Spinat-Dhal die Zwiebeln schälen und würfeln. Die Chilischoten waschen, der Länge nach halbieren, die Samen herauskratzen und die Stielansätze entfernen. Den Spinat verlesen, gründlich waschen, allzu grobe Stängel entfernen und die Blätter in zweifingerbreite Streifen schneiden.
  3. In einem Topf die roten Linsen mit Wasser, Kurkuma, Zwiebelwürfeln und Chilischoten zum Kochen bringen und 15 Minuten bei schwacher Hitze kochen lassen, bis die Linsen zerfallen sind. Das Dhal gut umrühren, evtl. noch Wasser zufügen, falls eine flüssigere Konsistenz gewünscht ist, und mit Salz abschmecken.
  4. Den Spinat unterheben. Das Dhal noch 3 Minuten auf der ausgeschalteten Herdplatte stehen lassen, bis der Spinat zusammengefallen ist.
  5. Das Ghee, falls verwendet, in einem kleinen Töpfchen schmelzen lassen und zum Schluss in das Dhal einrühren. Die Tomaten-Raita gegebenenfalls mit den zurückbehaltenen Senfsamen bestreuen. Daal und Raita zu Basmatireis servieren.
Anmerkungen
Von Daal und Raita mit Reis werden zwei sehr hungrige oder drei etwas weniger hungrige Menschen satt. Kommt noch ein weiteres Gericht dazu (bei uns: ein Blumenkohl-Kartoffel-Curry), dann reicht die Menge für vier.

Bei uns gab es außer Dhal und Raita mit Reis auch noch ein Blumenkohl-Kartoffel-Curry. Das Rezept dafür findet sich hier.

Spinat-Daal, Tomaten-Raita und Blumenkohlcurry

Im Moment koche ich übrigens sehr gerne chinesisch. Mal sehen, wo das hinführt.

Und wie ist das bei euch mit dem Fernweh?

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11 Gedanken zu “Fernweh auf der Zunge (und Rezept für Spinat-Dhal)

  1. Sabine von Ferngeweht

    Liebe Sabine, vielen Dank für den wunderschönen Text zu meiner Blogparade! Da könnte ich doch glatt schon wieder anfangen zu kochen! Und Du hast absolut recht: Ich liebe die thailändische Küche – und zufällig gehört Thailand auch zu meinen Lieblingsländern :-)

  2. Barbara

    Liebe Sabine,

    super-super-schöner Text – du hast mich wirklich mitgenommen auf deine Reisen! Und mich animiert: Vielleicht, ganz vielleicht – mal schauen, ob mich das Real Life gerade lässt – schreibe ich Reise-Unlustige auch einen Beitrag zur Parade.

    Herzlichst,

    Barbara.

  3. Friederike

    danke für den Lesegenuss und die Rezepte, das Dhal werde ich unbedingt ausprobieren! Nur nach Indien selbst zieht es mich überhaupt nicht, noch nie, mir steht hier die Situation der Frauen im Weg.
    lg

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Bei mir war das tatsächlich einer der Gründe, weshalb es mich nach Indien gezogen hat: selbst sehen, selbst erfahren, nicht nur die bunten, auch die düsteren Seiten. Ich kann nicht behaupten, dass ich dem Verstehen sehr viel näher gekommen bin, aber eins zumindest glaube ich: dass Kontakt von Kulturen untereinander grundsätzlich eine gute Sache ist. Und wenn es nur ist, um dabei festzustellen, dass alles unglaublich komplex ist.
      „India baffles“, habe ich mal irgendwo gelesen. Sehr wahr.

  4. Judith

    Liebe Sabine,
    Deine Bilder aus Syrien, besonders das der Omayyaden-Moschee machen mich total ‚fernwehig‘ und Dein Text hat mich total motiviert, Reisepläne oder mindestens -träume zu schmieden! Mir fällt übrigens auf, dass es uns zur selben Zeit an ähnliche Orte gezogen hat :-)
    In diesem Sinne: schön, von Dir zu lesen!
    Judith

  5. Pingback: Fernweh-Fortsetzung: Kartoffel-Blumenkohl-Curry | Schmeckt nach mehr

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