Die Film-und-Chips-Falle

Ob im Januar und Februar der nationale Chipsverbrauch wohl zunimmt? Wundern würde es mich nicht, wenn ich da mal von mir auf andere schließen darf. Draußen herrscht Dauergrau mit gelegentlicher Nieselunterbrechung, und in mir ist auch nicht gerade Konfettistimmung. Was also gibt es für einen besseren Zeitpunkt für die dringend benötigte Nachhilfe in Sachen amerikanische Serien? Fragte Frau Schlimm neulich und meldete sich in Ermangelung eines Fernsehers flugs für den kostenlosen Probemonat bei einem Film-und-Serien-Streaming-Dienst an. Über den Rest der Geschichte breite ich gnädig den Mantel des Schweigens …

Knabberkram: Regal im Supermarkt

Zum Glück hatten wir zumindest keine Chips im Haus, denn vermutlich hätte ich, ohne den Blick dabei von der Laptop-Mattscheibe zu wenden, ständig in die Tüte gegriffen. So weit, so wenig überraschend. Aber Forscher der Uni Würzburg [ref] Platte, P., Herbert, C., Pauli, P. & Breslin, P. A. S. (2013). Oral perceptions of fat and taste stimuli are modulated by affect and mood induction. PLoS ONE, 8 (6), e65006. (Quelle: Report Psychologie) [/ref] haben nun herausgefunden: Nicht nur meine trübe Stimmung hätte dazu geführt, dass ich mehr esse, sondern auch die Stimmungsausschläge dessen, was ich mir angeschaut hätte. Fernsehserien wie Six Feet Under oder Downton Abbey mit viel Drama, Liebe und Tod (selbstverständlich vollkommen willkürlich gewählte Beispiele) hätten sich deutlich stärker im Chipsverbrauch niedergeschlagen als beispielsweise ein Tierfilm über das Leben des Grottenolms. Freude oder Traurigkeit hätten mich nämlich vermutlich unfähig gemacht, daneben noch an den Fettgehalt der Chips zu denken.

Das suggeriert zumindest der Versuch der Würzburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die 80 Testpersonen vor lustige, traurige oder neutrale Videoclips setzten und dann testeten, wie gut sie Grundgeschmäcker wie Süß, Sauer, Bitter und Umami sowie den Fettgehalt von Milch wahrnehmen konnten. Ein Teil der Testpersonen kam bereits in depressiver Grundstimmung zu der Videosession, und diese Menschen konnten zwar vor dem Anschauen der Videos einwandfrei zuordnen, ob sie nun Voll- oder Magermilch probierten, aber nicht mehr, nachdem sie etwas besonders Lustiges oder Trauriges gesehen hatten. Offenbar war ihr Hirn dann zu sehr damit beschäftigt, die Emotionen zu verarbeiten, sodass für Fettgehaltabschätzungen schlicht keine Kapazitäten mehr vorhanden waren. Neutrale Clips hatten dagegen keine Auswirkungen. Und den nicht ohnehin deprimierten Testpersonen blieb die Fähigkeit zum Fettschmecken in vollem Maß erhalten, egal was sie anguckten.

Lustigerweise wurden süßer und bitterer Geschmack (im Gegensatz zu Fett) von den deprimierten Testpersonen nach den aufwühlenden Videos stärker empfunden. Ob es also eine kalorienreduzierende Lösung wäre, einen Anfall von Binge Viewing mit heißem Kakao statt mit Chips zu begleiten? Je intensiver man einen Geschmack empfindet, desto schneller hat man genug davon ‒ und dieses Prinzip machen sich ja Snackhersteller ohnehin zunutze, indem sie in Chips & Co. Salzig, Süß und Umami möglichst gut ausbalancieren, damit dieser Sättigungspunkt möglichst spät erreicht wird (vor einiger Zeit hatte ich die Sache mit der sensory-specific satiety, der geschmacksspezifischen Sättigung, schon mal erklärt).

Ich befürchte nur, dass ich nach dem Kakao dann doch zu den Chips greifen würde ‒ und nach den Chips wieder zu Kakao. Wenn wir denn Chips dahätten. Wie gut, dass wenigstens der Fernseh-Probemonat bald vorbei ist! Danach werde ich wohl wieder nur sporadisch eine DVD gucken (oder mir die Filetstücke der Mediatheken vom Blog Mediasteak herauspicken lassen). Bevorzugt Dokumentationen über den Grottenolm. Ohne Chips.

4 Gedanken zu “Die Film-und-Chips-Falle

  1. Eva

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann ich die letzte Tüte chips gekauft habe. ;-)
    Und dabei sind wir jetzt schon bei der 7. Staffel von „The Closer“ (seit Sylvester) – mit höchtens einem Käseknäcke pro Abend, so lässt sich der Winter auch ohne zu hohen Fettzuwachs überstehen und he, die Sonne scheint! :-)

  2. Tring

    Bei dem letzten Absatz konnte ich mir dann doch ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das kam mir sehr bekannt vor. Auch Kakao verhindert definitiv den Griff zur Chipstüte nicht. Es soll ja Menschen geben, die zwei Hände Chips essen können und dann aufhören (unabhängig davon ob beim Serien-Gucken oder nicht), ich gehöre definitiv nicht dazu. Die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass die Tüte leer wird – gar nicht erst einkaufen…
    Gibt es nicht auch Studien darüber, dass man ganz allgemein mehr isst, wenn man beim Essen vorm Fernseher sitzt? Eben weil man von der Fernseh-Handlung abgelenkt wird und nicht mehr so darauf achtet, was und wie viel man isst? Ob diese Studien allerdings den Grottenolm in den Versuchsaufbau mit einbezogen haben, ist mir nicht bekannt – das wäre doch mal eine interessante Erweiterung: „Die Auswirkungen des gemeinen Grottenolm auf das Essverhalten – ein Experiment“ oder so…

  3. Sabine Schlimm Artikel Autor

    Freut mich ja, dass ich nicht die Einzige bin, die sich vor übermäßigem Chipsverzehr nur durch Gar-nicht-erst-Kaufen schützen kann …
    @Susanne: Ja, beängstigend, finde ich auch ;-)
    @Eva: Da bist Du stärker als ich – Käseknäcke würde mich niemals befriedigen. „The Closer“? Gleich mal gucken, was das ist … oder sollte ich lieber nicht …?
    @Tring: Ohne jetzt nach konkreten STudien geguckt zu haben – soweit ich weiß, gilt es als gesichertes Wissen, dass man bei Ablenkung mehr isst. Deshalb ist doch auch das „next big thing“ in Sachen Diäten wohl Mindful Eating: bewusstes und achtsames Essen, damit man merkt, wenn man genug hat. Nur den Grottenolm, den hat wohl noch niemand mit einbezogen! ;-)

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