Aus dem Garten in den Topf: Britta Freith, Hinterm Stall die Blumen

Ein Gartenbuch in der Genussbuchwoche „Jeden Tag ein Buch“? Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?

Cover Hinterm Stall die Blumen

Vielleicht ‒ und dann auch wieder nicht. Denn ich stelle es hier nicht etwa vor, weil es meiner Meinung nach zur Definition als „Genussbuch“ genügt, dass ich das Buch mit Genuss gelesen habe (auch wenn ich das habe). Und auch nicht, weil darin runde zehn Rezepte enthalten sind (auch wenn ich mir mindestens zwei zum Ausprobieren markiert habe). Nein: Britta Freiths Buch Hinterm Stall die Blumen. Landfrauen und ihre Gärten* ist für mich deshalb ein Genussbuch, weil es dahin führt, wo unsere Lebensmittel herkommen, und weil das, was wir essen, eine ganz zentrale Rolle darin spielt.

Aber von Anfang an. Worum geht es überhaupt? In Hinterm Stall die Blumen öffnen Autorin Britta Freith und Fotografin Bigi Möhrle ihren Leserinnen und Lesern die Pforten zu dreizehn ländlichen Gärten, gelegen zwischen der dänischen Grenze ganz im Norden und Kärnten ganz im Süden. Dreizehn Landfrauen berichten von ihrem Leben zwischen Garten, Hof und Familie. Sie zeigen mit Stolz runde Kohlköpfe und üppige Rosenpracht, erzählen von Erfolgen und Misserfolgen und geben nicht nur ihre Gartenerfahrungen weiter, sondern auch praktische Tipps vom Zaunflechten bis zum Anlegen einer Miete zum Überwintern von Gemüse. Und schließlich lassen sie sich sogar in die Küchen gucken: Autorin Britta Freith entlockte ihnen Rezepte für norddeutsche Buttermilchsuppe wie für schwäbische Kräuterspätzle, für das tägliche Brot wie für die festliche Lammkrone.

Nicole Nikolaus mit Mann und Ziegen

Fast Selbstversorger: Nicole Nikolaus und Hartmut Herrmann auf dem Hollerbuschhof. Foto ©Bigi Möhrle aus „Hinterm Stall die Blumen“, Verlag Eugen Ulmer

Die vorgestellten Gärten fallen so unterschiedlich aus wie die Frauen, die sie geschaffen haben. Während im einen das Gemüse zur Selbstversorgung an erster Stelle steht, ist ein anderer nach dem Vorbild historischer Landschaftsgärten gestaltet, und ein dritter versammelt lauter Pflanzen, die schon in der Bibel genannt wurden. Hier dominieren Blumen, da der Blumenkohl. Die Gärten sind für ihre Schöpferinnen Erholungsorte, Steckenpferd, Herausforderung, Lebensmittelquelle für den täglichen Bedarf, Kopf-frei-Macher oder Familientradition ‒ manchmal alles zugleich.

Mich als Leserin laden sie natürlich zum Träumen ein. Und ja, Hinterm Stall die Blumen hat alles, was man von einem Buch zum Schwelgen (und Verschenken) erwartet: ein schön großes Format, sodass die Fotos gut zur Geltung kommen, tolle Texte, Hardcover mit Schutzumschlag (inklusive Spotlackierung!), eine hübsche Schmuckschrift und im Anhang sogar die Adressen der Gärten, bei denen man sich zu einem Besuch anmelden kann.

Und trotzdem ist das für mich mehr als ein Coffeetable-Buch, geht es auch um anderes als um Gartenträume und Bilderbuchbauernhöfe. Bei allem, was hier hübsch und idyllisch daherkommt, schimmert doch immer wieder die Realität des Landlebens durch die Texte hindurch. Da werden beiläufig Biogas- und Hackschnitzelanlagen erwähnt; die computergestützte Herdenverwaltung weist darauf hin, dass ein Hof ein Wirtschaftsbetrieb ist und kein Streichelzoo; die Landfrauen sprechen über die Schwierigkeit, mal Urlaub zu machen. Klar wird: Landwirtschaft ist verdammt viel Arbeit.

Am stärksten aber hat sich mir ein Satz eingeprägt:

Sich aus dem eigenen Garten zu ernähren heißt auch, verzichten zu lernen.

Dieses Thema kehrt im Buch immer wieder. Schnecken fressen die Sämlinge, ein plötzlich zum Fluss angeschwollener Bach reißt die erwartete Ernte mit sich, Kartoffelkäfer, Rost und späte Fröste sorgen dafür, dass Gärtnern immer auch ein wenig Glücksspiel ist ‒ wie die Landwirtschaft überhaupt, von der wir alle leben. Und selbst wenn alles gutgeht: Es gibt bestimmte Rahmenbedingungen, die Gärtnern und Bauern Grenzen setzen. Schwerer, lehmiger Boden oder nährstoffarmer, sandiger ‒ nicht jedes Gemüse kommt überall zurecht. Lange Winter oder heiße, trockene Sommer ‒ manches wächst, anderes nicht. Die vorgestellten Gärtnerinnen müssen sich damit abfinden. Was es nicht gibt, das gibt es halt nicht. Zumindest nicht aus dem eigenen Garten.

Wer wie ich einfach in den Supermarkt geht, wenn das Kühlschrank-Gemüsefach leer ist, der verliert diese Zusammenhänge leicht aus dem Blick. Saisonal und regional bleiben dann nur zu häufig theoretische Schlagworte. Es gibt ja alles irgendwie fast immer. Natürlich gilt das auf dem Land genauso, schließlich hat fast jedes Dorf irgendwann die Baugenehmigung für einen gesichtslosen Riesendiscounter erteilt, auf dass Tomaten und Paprika aus spanischen Gewächshäusern auch dort den Saisonkalender überflüssig machen.

Trotzdem: Wer ständig mit eigenen Händen im Boden wühlt, der weiß, dass Obst und Gemüse, Fleisch und Milch nicht in handlich eingeschweißten Packungen aus der Fabrik kommen, rund ums Jahr in gleicher Qualität. Beeindruckt hat mich daher in Hinterm Stall die Blumen auch, was für eine große Rolle traditionelle Methoden der Haltbarmachung bei diesen extrem eingespannten berufstätigen Frauen spielen: Da wird eingeweckt, Marmelade gekocht, gedörrt und Sauerkraut gemacht, es werden Mieten für Wurzelgemüse angelegt und Kohlköpfe aufgehängt. So verlängern die Gärtnerinnen die Fülle der Erntezeit in den Winter hinein; und das, obwohl bestimmt auch für sie die Fahrt in den Supermarkt einfacher und schneller ginge. Respekt vor Lebensmitteln: kein Schlagwort, sondern Alltag.

Gemüsegarten von Nicole Nikolaus

Geerntet werden kann nur das, was gewachsen ist. Foto ©Bigi Möhrle aus „Hinterm Stall die Blumen“, Verlag Eugen Ulmer

Mein Fazit: Mir als gartenloser Gerne-Esserin hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen. Ich werde bestimmt öfter hineinblättern ‒ nicht zuletzt, um das Kletzenbrot nachzubacken. Und von der Sprach-Frau in mir gibt es noch zwei Bonuspunkte: einen für die schöne Titelformulierung und einen zweiten dafür, dass in den Texten hin und wieder die regionalsprachlichen Eigenheiten der vorgestellten Landfrauen hindurchschimmern. Nicht nur durch die paar Zitate, die tatsächlich im nord- oder süddeutschen Zungenschlag wiedergegeben werden, sondern auch dadurch, dass die Gemüsesorten in den Kapiteln ganz beiläufig mit ihrem jeweils lokal üblichen Namen auftauchen: Möhren also als Karotten, Wurzeln, Gelbe Rüben und sogar Morde (mir bisher völlig unbekannt). Ein Miniglossar am Schluss des Buches schlüsselt diese Bezeichnungen auf. Für mich hätte es durchaus noch länger sein dürfen!

Und damit schicke ich diese Rezension zu Astrid als Beitrag zur „Jeden Tag ein Buch“-Woche.

Hinweis: Das Buch wurde mir vom Ulmer Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Einen Einfluss auf mein Urteil hatte das nicht; dieser Artikel gibt ausschließlich meine persönliche Meinung wieder.

Britta Freith
Hinterm Stall die Blumen. Landfrauen und ihre Gärten
Fotos von Bigi Möhrle
Verlag Eugen Ulmer 2013
192 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: 29,90 €

 

 

 

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